Vor über 260 Gästen, im ausverkauften, neu renovierten Theatersaal, begrüßte Geschäftsführerin Anja Sauerer Pater Anselm Grün zur Benefizlesung.
Besonders begrüßte sie die ehemalige Geschäftsführerin und jetzige Konventsoberin Sr. Agnella Kestler, die diese Einrichtung über 30 Jahre geleitet hat und seit 47 Jahren hier tätig ist. Vor wenigen Tagen erhielt sie den bayerischen Verdienstorden für ihr Lebenswerk.
In ihrer Einführung richtete Anja Sauerer erst einmal den Blick zurück auf die Wurzeln von St. Ludwig, wo das Antonia-Werr-Zentrum seit 1965 beheimatet ist. „Benannt nach der Ordensgründerin, wächst das Antonia-Werr-Zentrum aus den Wurzeln der Spiritualität der Menschwerdung“, so Sauerer. „Ein ganz wesentlicher Anteil an der erfolgreichen Entwicklung unserer Einrichtung hatten und haben all die Schwestern in der Nachfolge Antonia Werrs, die hier in all diesen Jahren tätig waren und den Sendungsauftrag noch immer verwirklichen und verlebendigen.“
Im alten Ludwigsbad legten die Missionsbenediktiner von St. Ottilien 1901 einen „neuen Grundstein für benediktinisches Leben in Franken“. Schon bald wurde das Kloster zu klein und 1914 wurde die Abtei Münsterschwarzach errichtet. Deren erster Abt wurde noch in St. Ludwig geweiht. Als 1963 auch das Internat und die Schule der Benediktiner von St. Ludwig nach Münsterschwarzach umzog, kauften die Oberzeller Franziskanerinnen das Anwesen. Zwei Jahre später zogen bereits die ersten Mädchen hier ein. Die Verbindung zu den Benediktinern besteht bis heute. Im Jahre 2001 feierte das Kloster St. Ludwig und die Abtei Münsterschwarzach das 100-jährige Bestehen von St. Ludwig. Dieses Jubiläum feierten die Oberzeller Franziskanerinnen mit den Benediktinern zusammen und in großer Verbundenheit entsendet seither die Abtei einen Hausgeistlichen für die Schwesterngemeinschaft und für die Umgebung. Anja Sauerer hieß Pater Wolfram, den momentanen Hausgeistlichen, herzlich willkommen.
„Wurzeln sind ein Thema, das mich schon lange beschäftigt“, eröffnete Pater Anselm seinen Benefizvortrag „Wurzeln – neuen Halt im Leben finden“. Anselm Grün, geboren 1945 ist Mönch, war Cellerar der Benediktinerabteilung Münsterschwarzach und arbeitet seit 25 Jahren im Recollectiohaus mit, einem Rückzugsort für kirchliche Mitarbeiter, indem sie therapeutisch und spirituelle Hilfen für ihren Dienst bekommen. In zahlreichen Büchern, Kursen und Vorträgen geht Anselm Grün auf die Nöte und Fragen der Menschen ein. Er ist von Menschen als Seelsorger, spiritueller Berater und geistlicher Begleiter geschätzt und gehört zu den meistgelesenen Autoren der Gegenwart.
In bewährter Weise würzte Anselm Grün seine theoretischen Ausführungen mit persönlich Erlebtem aus der eigenen Kindheit und konkreten Beispielen aus seiner langjährigen Praxis als Seelsorger. „Die Natur war die erste Lehrmeisterin der Menschen. Die Menschen haben seit jeher in der Natur ein Bild für das eigene Leben gesehen. Das Werden und Vergehen der Natur wurde ein Bild für das Annehmen und das Loslassen, welches das menschliche Leben prägt. Der Mensch wächst nicht nur heran – er wächst in die Gestalt hinein, die Gott ihm zugedacht hat – der sich annimmt und immer wieder loslässt“, verdeutlichte Grün. „Die Menschen wussten, dass sie gute Wurzeln brauchen, damit ihr Lebensbaum aufblühen kann und damit das Heilende in ihnen Nahrung findet.“ Wurzellosigkeit sei häufig ein Grund für Depressionen, erklärte er. Viele Menschen haben heute ihre Wurzeln verloren, sie sind sich ihrer Wurzeln nicht bewusst. Sie versuchen nur in der Gegenwart zu leben, ohne ihre Vergangenheit zu reflektieren. Sie sind gleichsam von der Vergangenheit abgeschnitten. Wer aber seine Wurzeln nicht kennt, der weiß nicht, was sein Lebensbaum braucht.
Die eigenen Wurzeln dürfe man weder verherrlichen noch verdammen, mahnte Pater Anselm. Er weiß auch, dass diese Wurzeln tief verletzt sein könne, so wie bei den Mädchen und jungen Frauen im Antonia-Werr-Zentrum, die hier eine neue Heimat auf Zeit finden. Dennoch warnte er davor, die eigenen Wurzeln völlig abzuschneiden.
Gegen Ende des Benefizvortrages machte er seinen Zuhörern noch einmal Mut: „Die Vergangenheit legt uns nicht fest, wir können immer reagieren, immer wieder neue Wurzeln schlagen, uns immer wieder neu im göttlichen, in diesem hellen Raum in uns selbst verwurzeln.“
Zahlreiche Gäste nahmen, im Anschluss an die Lesung noch das Angebot wahr, bei Kaffee und Kuchen im großen Konferenzraum und in der Gastronomie sich über das Gehörte auszutauschen und Pater Anselm Grün zu begegnen.
Alfred Hußlein
stellv. Gesamtleitung