„Im 160. Gründungsjahr der Oberzeller Franziskanerinnen feiert die Antonia-Werr-Zentrums GmbH, benannt nach der Ordensgründerin, ihr 50-jähriges Bestehen.
50 Jahre Arbeit für Mädchen und junge Frauen, heißt 50 Jahre Einsatz für die unzerstörbare Menschenwürde, 50 Jahre Engagement für gerechte gesellschaftliche Strukturen. 50 Jahre Leidenschaft für die Rolle von Mädchen und jungen Frauen in der Gesellschaft, 50 Jahre Arbeit für heilsame Bedingungen für die uns Anvertrauten heißt 50 Jahre moderne und fortwährende Entwicklung der Jugendhilfe, seiner heilpädagogisch-therapeutischen Einrichtungen für Mädchen und junge Frauen“, schreibt Anja Sauerer im Jubiläumsbuch.
Diesen Festakt feierten zahlreiche Wegbegleiter, Unterstützer und Ehemalige gemeinsam mit den MitarbeiterInnen, Mädchen und jungen Frauen am 22. Oktober 2015 im neu renovierten Theatersaal des Antonia-Werr-Zentrums.
Das Besondere an diesem Festakt war, dass die Mädchen und jungen Frauen maßgeblich in die gesamte Gestaltung dieser Veranstaltung miteinbezogen waren und so begrüßte auch eine junge Frau als Erste die Gäste.
Ganz bewusst begrüßte Anja Sauerer, Geschäftsführerin der Antonia-Werr-Zentrum GmbH, zuerst die Mädchen und jungen Frauen. „Weil es uns ohne euch nicht gäbe und ihr uns mit eurem Vertrauen beschenkt“, sagte sie. Mehr als 2.300 Mädchen und junge Frauen wurden seit 1965 über die Jahre hinweg erzogen, beschult, ausgebildet und therapiert. Manche von ihnen befand sich an diesem Tag unter den Gästen im Theatersaal. Anja Sauerer konnte viele Vertreter aus Kirche, Ordensgemeinschaften, Politik und Gesellschaft begrüßen. Auch dies ist ein Ausdruck des Respekts und der Anerkennung.
Besonders herzlich wurde Frau Wilma Weiß, die ehemalige Leiterin, jetzige Beirätin des Zentrums für Traumapädagogik der Welle in Hanau und Mitbegründerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Traumapädagogik, begrüßt.
Nicht minder herzlich wurden die zahlreich erschienenen Oberzeller Franziskanerinnen begrüßt, die den bedeutendsten Anteil an der erfolgreichen Entwicklung des Antonia-Werr-Zentrums hätten und ihren Sendungsauftrag nach wie vor verwirklichen. Besonders fünf Schwestern, die seit 50 und mehr Jahren hier in St. Ludwig sind, wurden von Anja Sauerer als Zeitzeugen namentlich genannt: Sr. Aurelia Müller, Sr. Ilse Bayer, Sr. Irmgard König, Sr. Wilhelma Söldner, Sr. Hildegund Hartmann.
Zum Schluss ihrer kurzweiligen Begrüßung erwähnte Sauerer noch das Jubiläumsbuch, das alle Gäste als Geschenk mit nach Hause nehmen durften. Sie dankte den 74 Autorinnen und Autoren, die sich gefunden hatten, einen Impuls zum Jubiläumsthema zu schreiben. Anja Sauerer: „Vielfältige Lebenserfahrungen, Wachstumsgeschichten, „Wurzelwerke“,Wurzelwege und Glückwünsche sind uns geschenkt worden.“
Generaloberin Sr. Dr. Katharina Ganz, Gesellschafterin der Antonia-Werr-Zentrum GmbH, warf in ihrem Grußwort, bei dem sie auch ein bisschen predigen wollte, ihren Blick auf die Wurzeln Jesu und die Krippe im Stall von Bethlehem. Sie bezeichnete die Krippe als ein Sinnbild und ein Urbild für einen guten sicheren Ort der Geborgenheit und Zugehörigkeit vermittle. „Für uns Schwestern ist die Krippe ein Symbol für unser religiöses Leben, sollten selbst einer Krippe werden, indem wir Jesu in uns Wohnung und Herberge schenken. Gleichzeitig verbirgt sich darin der Auftrag unser Häuser und Einrichtungen so zu gestalten, dass sie möglichst sichere gute Orte sind, in denen Menschen vorübergehend ein Zuhause und eine Heimat finden. Die Innovation und die Renovierung des Theatersaals kann als ein solches äußeres Zeichen gedeutet werden“, so Sr. Dr. Katharina Ganz.
Zum Ende ihrer Begrüßungsrede dankte sie 3 Frauen stellvertretend für alle, die im Antonia-Werr-Zentrum gelebt und gearbeitet haben, die die Einrichtung aufgebaut, die Fundamente und Grundlagen gelegt haben und das Haus immer mehr erweitert und ausgebaut haben und zwar in personeller, materieller, finanzieller, konzeptioneller wie ideeller Hinsicht. Dazu überreichte die Generaloberin an Sr. Reginarda Holzer, Gesamtleiterin von 1972 bis 1983, Sr. Agnella Kestler, Gesamtleiterin und Geschäftsführerin von 1984 bis 2014 und Anja Sauerer Blumen und Geschenke. Für die Mädchen und jungen Frauen übergab sie einen therapeutischen Sandspielkasten, den Luirat (Partizipationsgremium) lud sie zu einem Besinnungstag nach Oberzell ein und den Mitarbeitern des Antonia-Werr-Zentrums schenkte sie ein spirituelles Fortbildungsangebot.
Sr. Agnella und Anja Sauerer verzichteten auf den Vortrag einer langatmigen, mit Zahlen und Fakten gestützten Chronik, sondern wählten eine narrativ geprägte Vorgehensweise und machten dabei deutlich, wie stark sich das Antonia-Werr-Zentrum und die Jugendhilfe insgesamt in den vergangenen 50 Jahren verändert haben. Ausgangspunkt ihrer Herangehensweise war die These „nur wo eine unwandelbare Mitte ist, kann es Wandel geben“. Gemeinsam mit den Gästen machten sie sich, in Anlehnung an das Jubiläumsthema, auf die Suche nach den tragenden Wurzeln, den Quellen und dem Wachstum der Organisation. Zum Schluss machte Anja Sauerer die unwandelbare Mitte der Geschichte des Antonia-Werr-Zentrums deutlich. Es ist ein Dank an die Schwestern, die ihre Spiritualität leben und die den MitarbeiterInnen tagtäglich Vorbild sein können. Dies sei ein wesentlicher Bestandteil der Mitte aus der im Antonia-Werr-Zentrum gestaltet wird. Des weiteren betonte sie, dass sie glücklich sei, mit Antonia Werr als Gründungsfigur mit hohem sinnstiftenden Charakter und einig waren sich beide am Ende, über Jahre hinweg hat sich der starke Einsatz und das Engagement für Mädchen und junge Frauen nicht geändert.
Die gesamte Veranstaltung wurde von Anfang bis Ende durch besondere, oft sehr heitere Einblicke in den Alltag des Antonia-Werr-Zentrums mit kreativen Videos, PowerPoint und Fotopräsentation von Mädchen, jungen Frauen und Ehemaligen auflockernd gestaltet. Ein Dreivierteljahr hat Frau Christine Schreiter, Sonderpädagogin an der Von-Pelkhoven-Schule, mit ihrem Team, bestehend aus 6 Mädchen und ihrer Kollegin Frau Schömig, an der Gestaltung des Festaktes gearbeitet. Besonders berührend waren die Aussagen und die Erinnerungen der ehemaligen Mädchen und jungen Frauen „hier habe ich zum ersten Mal erfahren, was es heißt geliebt zu werden“, hieß es da. „Hier habe ich eine Chance bekommen“, berichtete eine junge Mutter.
Wilma Weiß, die ehemalige Leiterin des Zentrums für Traumpädagogik Welle gGmbH in Hanau, die von Anja Sauerer herzlich begrüßt wurde, hatte sie doch im August mit einer intensiven Fortbildung in Traumpädagogik für alle MitarbeiterInnen des AWZ´s begonnen, stellte in ihrem Fachvortrag bewusst Bewohnerinnen des Antonia-Werr-Zentrums in den Mittelpunkt, gezielt richtete sie ihre Worte direkt an sie. Sie stellte verschiedene Aspekte der Traumaheilung vor, ermutigte die Mädchen sich auf die vielen Möglichkeiten des Antonia-Werr-Zentrums und die starken Erwachsenen hier einzulassen und zollte ihnen immer wieder großen Respekt für das bisher Geleistete und Gelebte. Sie zitierte Ono van der Hard: „Ich glaube, das der Kern jeder Traumatisierung in extremer Einsamkeit besteht, im äußersten Verlassensein. Eine liebevolle Beziehung, die in mancher Hinsicht einfach ist, wird unerlässlich sein, um überhaupt von einem Trauma genesen zu können.“
Zum Schluss appellierte Wilma Weiß noch einmal an die Selbstheilungskräfte der Mädchen und jungen Frauen. Sie sollen die Schätze in ihrer Person, ihre Kreativität und Spiritualität entdecken. An die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des LuiRates, Melanie Durchholz, übergab sie symbolisch einen Schatzkoffer für die Mädchen und jungen Frauen. Zum Schluss der überaus kurzweiligen und von viel Herzlichkeit geprägten Veranstaltung, lud Geschäftsführerin Anja Sauerer die Gäste zu einem Imbiss in die Gastronomie von St. Ludwig ein, nicht aber noch vorab den Mädchen und jungen Frauen für ihr Vertrauen zu danken. „Sie sind die wertvollsten Mosaiksteine in unserer 50-jährigen Geschichte“, betonte sie. Jedem Gast wurde ein Jubiläumsbuch als Geschenk mitgegeben und beim Imbiss war zu beobachten, dass die Ersten schon darin schmökerten.
Alfred Hußlein
stellv. Gesamtleitung