Psychologisch-Psychotherapeutischer Dienst zur Krisenintervention und langfristigen therapeutischen Arbeit bei schwer traumatisierten Mädchen und jungen Frauen
Die Zahl von schwer traumatisierten, misshandelten und missbrauchten Mädchen, die im Antonia-Werr-Zentrum untergebracht werden, ist in den letzten Jahren rapide angestiegen.
Mädchen und junge Frauen reagieren auf diese schweren Beschädigungen und Verletzungen u. a. mit Suizidversuchen, chronifiziertem, selbstverletzendem Verhalten, sie entwickeln massive neurotische und psychotische Verhaltensweisen. Diese ausgeprägten und manifesten Störungen benötigen eine engmaschige und langfristig angelegte therapeutische Einzelarbeit. Des Weiteren bedürfen die Erzieher in den heilpädagogisch-therapeutischen Gruppen der Anleitung durch den psychologischen Fachdienst in traumapädagogischen Vorgehensweisen. Die zurückliegende Arbeit zeigt, dass die Kombination von beiden Ansätzen und Vorgehensweisen letztendlich für die Alltagsgestaltung unter traumapädagogischen Gesichtspunkten hilf- und erfolgreich ist.
Deshalb hat die Leitung des Antonia-Werr-Zentrums sich entschlossen eine weitere dreiviertel Psychologinnenstelle neben dem schon bestehenden Fachdienst zusätzlich einzurichten, um die beschriebene Arbeit leisten zu können und die Integration der Mädchen und jungen Frauen in das Antonia-Werr-Zentrum mit Schule und Ausbildungsmöglichkeiten zu fördern. Dies war nur durch die Unterstützung der Glücksspirale möglich.
Dauer und Beschreibung des Aufgabenfeldes:
Frau Wagner ist seit dem 01.06.2016 im Fachdienst als Psychologin tätig. Die Hauptaufgabe von Frau Wagner ist die therapeutische Einzelarbeit mit den Mädchen und jungen Frauen. Neben der Einzelarbeit mit den Mädchen steht sie auch den Teams in den Gruppen beratend zur Seite und kümmert sich mit um Konzeptarbeit, interne Fortbildungen und Diagnostik. Auch Mitarbeiter/innen können Einzelgespräche mit ihr in Anspruch nehmen, um bei den täglichen Herausforderungen und einzelnen Krisen gut unterstützt zu werden.
Im therapeutischen Einzelkontakt wird sehr individuell anhand der Bedürfnisse des jeweiligen Mädchens gearbeitet. Da dem Aufenthalt im Antonia-Werr-Zentrum immer eine Trennung von den Bezugspersonen voraus geht, ist eine gute Beziehungsarbeit und der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses innerhalb der therapeutischen Beziehung ein großer und wichtiger Bestandteil der Einzelarbeit. Den Mädchen wird dadurch ermöglicht über ihre Erlebnisse aus der Vergangenheit, welche häufig durch Vernachlässigung und Missbräuche geprägt sind, zu sprechen. Zudem können sie bei Problemen aus dem Alltagsleben begleitet werden, um mit der Gruppe und den neuen Lebensumständen gut zurecht zu kommen und sich an diese anzupassen. Auch die stetige Entwicklung zur Selbständigkeit soll hier gefördert werden, indem Themen zur Selbstregulation und Verantwortungsübernahme Platz finden können. Die Arbeitsweise von Frau Wagner ist durch ihre systemische Vorausbildung, sowie durch verhaltenstherapeutische und dank der internen Fortbildung auch durch traumapädagogische Elemente und Sichtweisen geprägt. Demnach arbeitet sie beispielsweise mit den individuellen Zielen der Mädchen, versucht mit ihnen zusammen Lösungswege zu finden, anstatt ihnen welche vorzugeben. Zugrunde liegt die Haltung das Mädchen als Expertin zu betrachten, mit dem Ziel, die Resilienz zu fördern sowie Kontrolle und Transparenz im Alltag zurückzugewinnen. Zudem achtet Frau Wagner in ihrer Arbeitsweise auch auf das Zusammenspiel des ganzen Familiensystems, um Verhaltensweisen zu erklären und Lösungsideen für eventuell schwierige Beziehungen zu Eltern oder Sorgeberechtigten zu finden. Hierbei ist auch die Elternarbeit, mit oder ohne Beteiligung des Mädchens, ein wichtiger Baustein ihrer Arbeit. Auch das für die Mädchen neue Bezugssystem innerhalb der Wohngruppe, bestehend aus den anderen Mädchen und den Erzieherinnen, hat einen großen Einfluss.
Dieses therapeutische Milieu ist eine wichtige Ressource in der (Trauma-)Therapie der Mädchen und somit ist die Beratung der Teams für die individuelle Zielerreichung sehr essenziell. Hierfür nimmt Frau Wagner beratend an den wöchentlichen Teamsitzungen der Gruppen teil und überlegt gemeinsam mit den Teams Ideen zum Umgang mit einzelnen Mädchen.
Auch die Kooperation mit psychiatrischen Kliniken liegen im Aufgabenbereich von Frau Wagner. So können die Mädchen auch bei längeren Klinikaufenthalten ihre vertrauten Beziehungen aufrechterhalten und zudem kann gemeinsam mit den zuständigen Ärzten über eine Behandlung und gute Nachbetreuung gesprochen werden.
Durchgeführte therapeutische Aktionen:
Frau Wagner hat seit Stellenbeginn zwei Vorträge für pädagogische Fachkräfte zu den Themen Depression und Selbstverletzendem Verhalten sowie einen internen Fortbildungstag zum Thema Traumapädagogik gehalten. Hier achtet Frau Wagner auf eine interaktive Vortragsweise, um die Themen praxisnah und hilfreich vermitteln zu können. Dazu werden unter anderem auch viele Fallbeispiele mit eingebracht. Hinzu kommt die Mitarbeit von Frau Wagner an der Auswertung der Elternbefragung zur Zufriedenheit und deren Vorstellung vor den Mitarbeiter/innen. In nächster Zeit sind weitere Fachvorträge geplant.
Frau Wagner führte in den Ferien zusammen mit Kollegen auch eine Kunstgruppe durch, bei der die Mädchen und jungen Frauen verschiedene Techniken ausprobieren konnten. Der Ausdruck über ein kreatives Medium erleichtert es häufig vor allem traumatisierten Jugendlichen Zugang zu ihren Gefühlen zu bekommen. Für Mädchen die sich in Ausbildung im Antonia-Werr-Zentrum befinden wurde in Mitwirkung von Frau Wagner eine achtwöchige Gruppe zum Training sozialer Kompetenzen angeboten. Dabei ging es vor allem um einen angemessenen Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten sowie um das Erlernen von Konfliktlösestrategien. Diese wurden anhand von Rollenspielen eingeübt.
Die häufigsten Diagnosen bezogen auf das internationale Klassifikationssystem psychischer Störungen (ICD-10) der Mädchen, die das therapeutische Einzelangebot bei Frau Wagner nutzen sind: Affektive Störungen (z. B. Depressive Episoden F32.0-.3), Angststörungen (z. B. phobische Störungen wie soziale Phobien F40.1), Belastungs- und Anpassungsstörungen (z. B. Posttraumatische Belastungsstörungen F43.1), Essstörungen und Schlafstörungen (z. B. Bulimia nervosa F50.2), Verdacht auf Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung (z. B. Emotional instabile PS, Borderline Typus F60.31), hyperkinetische Störungen (z. B. ADHS F90.0).
Die Zielerreichung lässt sich so bewerten, dass die Mädchen und jungen Frauen in der Lage sind eine stabile Beziehung zu Frau Wagner aufzubauen. Die betrachten sie als Vertrauensperson und fühlen sich durch den Kontakt geschützt. Beispielsweise wünschen sich immer wieder Mädchen in Konfliktgesprächen von Frau Wagner begleitet zu werden oder in Krisensituationen extra Termine zu bekommen. Die individuellen Ziele konnten bei einigen Mädchen schon größtenteils erreicht werden. So konnten beispielsweise einige Mädchen ihre Selbstverletzungen reduzieren, es schaffen ihre Grenzen anderen gegenüber besser mitzuteilen, sich selbst etwas Gutes tun, Konflikte mit anderen selbständig klären oder sich mit vergangenen Erlebnissen auseinandersetzen und besser damit umgehen. Auch die Teams in den Gruppen sowie Lehrer aus der hausinternen Schule besprechen sich gerne zusammen mit Frau Wagner zu weiteren Vorgehensweisen bei einzelnen Mädchen.
An dieser Stelle sei der Glücksspirale für ihre Unterstützung, nochmals gedankt!
Mittelfristig ist es geplant, die Stelle von Frau Wagner aus Spendengeldern des Förderkreises des Antonia-Werr-Zentrums und zusätzlichen Stiftungsmitteln, die noch zu akquirieren sind, zu finanzieren.
Alfred Hußlein Katharina Wagner
stellv. Gesamtleitung Psychologin